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Channel: der blinde Hund » Literaturwissenschaft
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Geschlecht, Büros und Tiere

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Ja, diese Überschrift klingt für das ein oder andere Ohr vielleicht etwas schmutzig. Und richtig gehört, denn es geht um Literaturwissenschaft. Geschlechter, Büros und Tiere sind da anscheinend der neueste Schrei. Ich bin ja großer Fan von wissenschaftlichen Newslettern und mailing-Listen, insbesondere von Tagungsankündigungen und Call-For-Papers in den Geisteswissenschaften. Vor allem mag ich die Email-Liste von H-Germanistik. Dort bekommt man einen guten Einblick, was gerade im Fach en vouge ist. Hier eine kleine Blütenlese der letzten Zeit:

In einem Call for Papers für eine Tagung über “Synthese und Perspektiven der Konstitution von Raum und Geschlecht” kann man zum Beispiel lernen, dass “Raum nicht ohne Geschlecht zu denken ist und vice versa. Zu den drängenden Forschungsfragen gehört daher diejenige nach der Verschränktheit von Raum und Geschlecht.” Eine der weiteren (wie immer: “drängenden”!) Forschungsfragen auf diesem Symposium ist: “Inwiefern sind [...] Mobilitäten abhängig von Geschlechterordnungen und räumlichen Anordnungen bzw. wie werden diese durch die Bewegungen von Subjekten und Objekten neu verhandelt?” Wer also lernen will, warum Mobilitäten (?) abhängig von Geschlechterordnungen (??) sind und zudem “durch die Bewegungen von Subjekten und Objekten neu verhandelt” werden (???), der sollte mal ganz mobil den Raum durchqueren, ohne sich dabei sein Geschlecht zu verschränken, und sich dort blicken lassen.

Auch nett: Ein Call for Papers für eine Tagung mit dem hübschen Titel “Das Büro als Interieur“. Dort “figuriert [das Büro] als ein Dispositiv, als «heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes umfasst». (Foucault 1978)” Falls jemand weiß, welche philosophischen Lehrsätze Büros in der Regel umfassen, bin ich für Hinweise dankbar. Ansonsten gibt’s sicher bald einen Sammelband zu den Büro Studies oder sogar den Büro Turn.

Natürlich gibt es auch dieses Jahr wieder eine Summer School für die Animal Studies mit sage und schreibe 33 Stipendien. Dort wird man sich laut Ausschreibung einig darüber sein, dass Tiere “sowohl Ordnungszeichen als auch Ordnungsinstrumente” sind und dass sie “als Figurationen von Abweichungen und Ausschließungen” betrachtet werden können. Als blinder Hund kann ich das natürlich nur unterschreiben.

Ich will gar nicht abstreiten, dass solchen Verlautbarungen sinnvolle Forschungsprojekte zugrunde liegen können. Allerdings reizt es mich persönlich eher zum Lachen, wenn relativ triviale Sachverhalte so dermaßen rhetorisch aufgebläht präsentiert werden. Aber so ist das wohl. Das betrifft auch nicht nur die literaturwissenschaftlichen Werbeschriften – dort finde ich persönlich es nur besonders auffällig, wie massiv Schwurbeleien dieser Art zu finden sind. Rhetorische Aufgeblasenheiten dieser Art findet man aber genauso in anderen Geisteswissenschaften.


Einsortiert unter:Da lacht der Fachmann, Das musste unbedingt mal gesagt werden, Worüber man so tagt Tagged: Animal Studies, Literaturwissenschaft

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